Am Tag nach den US-Wahlen: Auf was sich Anleger einstellen müssen

3 Fragen an Mario Geniale, Chief Investment Officer der Banque CIC (Suisse)

Nach dem Brexit gab es gestern die zweite politische Überraschung des Jahres: Donald Trump wurde mit deutlichem Vorsprung zum neuen US-Präsidenten gewählt. Herr Geniale, waren Sie vorbereitet und wie haben sie nach der Wahl reagiert?

Nach der Wahl von Donald Trump stellen sich viele Fragen, auf die wir keine verlässliche Antworten haben: Wie geht es weiter mit der Migrationspolitik? Welche Handelspolitik verfolgt er? Senkt er die Steuern wie versprochen? Es gibt hier und da Ankündigungen und Wahlversprechen, aber die Umsetzung ist unklar. Andere Fragen sind noch völlig offen. Die Finanzmärkte schätzen solche Unsicherheit nicht, weshalb wir uns schon vor der Wahl für eine gewisse Absicherung unserer Positionen entschieden haben. Wir haben unsere Aktienquote etwas reduziert und unser Euro-Risiko abgesichert. Nach diesen Absicherungsmassnahmen vor der Wahl reduzieren wir jetzt nach der Wahl unser Risiko weiter. So haben wir gestern entschieden, die Aktienquote durch einen Verkauf von gewissen Schwellenländertiteln weiter zu reduzieren. Namentlich mit Blick auf Zentralamerika sind wir aufgrund der Äusserungen von Donald Trump im Wahlkampf skeptisch. US-Aktien werden wir tendenziell abbauen, weil wir zukünftig mit einer unter durchschnittlichen Entwicklung rechnen.

 

Die Wahlen in den USA haben die Finanzmärkte kurz durcheinander gewirbelt, aber im Tagesverlauf des Mittwochs legte sich dann die Aufregung. Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie in den nächsten Tagen und Wochen?

Ab sofort werden die Finanzmärkte auf jede Äusserung von Donald Trump reagieren. Die Preisentwicklungen an den Finanzmärkten sind ein Spiegelbild der Interpretation seiner Aussagen. Dies hat sich im Verlauf von gestern Mittwoch schon gezeigt. Ergo wird die Volatilität insgesamt und für längere Zeit zunehmen. Dies bringt neue Risiken, aber auch Opportunitäten mit sich. Beispielsweise können Anleger ihre Aktienpositionen mit Optionen absichern oder mit dem Verschreiben zusätzliche Prämien verdienen.

Die Reaktion am Schweizer Aktienmarkt wie auch am US-Markt war wie von uns erwartet nicht einheitlich, sondern stark durch eine unterschiedliche Interpretation der Auswirkungen der Wahl auf verschiedene Sektoren geprägt. Vor der Wahl waren beispielsweise die Pharmatitel aufgrund von Äusserungen von Hillary Clinton unter Druck. Entsprechend positiv haben sie auf die Wahl reagiert. Ebenso haben die Bankentitel schon vor der Wahl immer dann positiv reagiert, wenn Donald Trump in den Prognosen zugelegt hat. Gestern hat sich dies wiederholt. Auch das gestern prominent angekündigte Infrastrukturprogramm hat an der Börse bereits Reaktionen hervorgerufen.

Eher überraschend war die Entwicklung des Schweizer Frankens:

In der Vergangenheit war der Schweizer Franken in solchen Phasen der Unsicherheit als "sicherer Hafen" gesucht, was jeweils einen starken Aufwertungsdruck erzeugt hat. Der überraschend schwache Kursausschlag im Verlauf der frühen Morgenstunden, als sich die Wahl von Donald Trump immer stärker abzeichnete, spricht hier eine andere Sprache. Ohne den genauen Umfang der Interventionen der Schweizerischen Nationalbank zu kennen, lässt die relativ schwache Reaktion die Interpretation zu, dass der Schweizer Franken als Hafen nicht mehr so gesucht ist, wie auch schon. Das wäre erfreulich, weil die Überbewertung des Schweizer Frankens dann über die Zeit abnehmen sollte. Davon könnten Schweizer Unternehmen profitieren, weshalb wir prüfen, Schweizer Titel zuzukaufen. Umgekehrt prüfen wir einen Abbau von amerikanischen Titeln, die sich in vergangenen Monaten überdurchschnittlich entwickelt haben. Die aktuelle Unsicherheit spricht hier eher für eine Mitnahme der Gewinne.

 

Reicht es noch für eine Jahresendrallye 2016?

Einerseits wird uns die Phase der Unsicherheit nach den Wahlen in den USA noch eine Weile begleiten. Andererseits stehen im Dezember mit der allfälligen nächsten Zinserhöhung durch die amerikanische Zentralbank und der Volksabstimmung über das Verfassungsreferendum in Italien nochmals wichtige Entscheidungen an, welche im Vorfeld eher für zusätzliche Unsicherheit sorgen werden. Erst wenn wir hier Antworten haben, kann mit einer Beruhigung gerechnet werden. Das könnte also tatsächlich Mitte Dezember der Fall sein. Deshalb halte ich aus heutiger Sicht eine Jahresendrallye 2016 durchaus noch für möglich.