Anleihen – in schwierigen Marktphasen alles andere als bedeutungslos

Anlegerinnen und Anleger mussten lange auf attraktive Couponzahlungen für Schweizer Anleihen warten, aber die Zahlung eines Anleihecoupons ist nicht der wichtigste Faktor, den es zu berücksichtigen gilt.

Der Anleihecoupon stimmt nämlich möglicherweise nicht mit der tatsächlichen Rendite auf dem Sekundärmarkt überein. Wenn Anleger Anleihen kaufen, müssen sie auf zwei Informationen achten: auf die Rendite bis zur Fälligkeit und auf den Coupon der Anleihe. Die Rendite bis zur Fälligkeit ist die prozentuale Rendite einer Anleihe unter der Annahme, dass der Anleger die Anlage bis zum Fälligkeitsdatum hält. Einfach erklärt, handelt es sich um die annualisierte Summe aller verbleibenden Couponzahlungen und die Differenz zwischen Kaufpreis und Rückzahlungspreis.

 

Aufgrund der Tief- beziehungsweise Negativ-Zinsen haben gerade junge Investorinnen und Investoren Anleihen gar nicht mehr auf dem Radar – und das aus gutem Grund. In der Niedrigzinsphase der letzten Jahre war es für junge Anlegerinnen und Anleger mit einem langen Anlagehorizont schlichtweg nicht sinnvoll, in Anleihen zu investieren. Die zeitweise negativen Renditen entschädigten die Anleger zu keinem Zeitpunkt für das eingegangene Risiko, und so investierten jüngere Anleger nicht in Anleihen. Ob der jüngste Zinsanstieg ausreicht, um Anleger mit einem langen Anlagehorizont anzuziehen, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass es für eine 30-jährige Person, die noch 35 Jahre bis zum Renteneintritt sparen und investieren kann, interessantere Alternativen gibt wie beispielsweise Dividendenwerte oder Investitionen in Megatrends.

Die Stabilität steht wieder im Fokus

Darüber hinaus galten Obligationen früher als die langweilige Anlageklasse, vor allem im Vergleich zu Aktien. Der «schlechte» Ruf von Anleihen wurde in den letzten Jahren durch die Tiefzinsphase in der Schweiz noch verstärkt. So lag die durchschnittliche Rendite des gesamten Schweizer Anleihenmarktes zwischen 2014 und 2021 bei lediglich 0,22%.

 

Doch langsam ändert sich diese Sichtweise. Steigende Konsumentenpreise, der Krieg in der Ukraine und weniger expansive Zentralbanken haben seit Jahresbeginn zu einem starken Anstieg der Renditen und damit zu grossen Kursverlusten bei den Obligationen geführt, aber auch zu höheren Renditen für neue Investorinnen und Investoren. Der Swiss Bond Index ist seit Jahresbeginn um -10,53% gefallen. Er liegt nun auf dem tiefsten Stand seit 2012, während gleichzeitig die Rendite des Gesamtmarktes auf 1,74% gestiegen ist. Pensionskassen und grössere institutionelle Kunden haben folglich begonnen, Anleihen als Anlageklasse wieder mehr Beachtung zu schenken. Anleihen waren in vielen Portfolios untergewichtet, doch mit dem jüngsten Zinsanstieg wird dieses Thema in den Anlageausschüssen zunehmend diskutiert. Auch die Bank CIC (Schweiz) AG diskutiert derzeit die Möglichkeit, für ihre eigene Pensionskasse Anleihen zu kaufen. Denn: Obligationen geben den Portfolios Stabilität und sorgen für weniger volatile Bewegungen in schwachen Marktphasen.

Anlagehorizont und Risikotoleranz sind entscheidend

Die Frage ist, ob Obligationen auch für Privatanlegerinnen und -anleger wieder interessant sind. Für die Experten der Bank CIC ist eine Anlage in Anleihen attraktiv, solange die Rendite eines Anleiheportfolios über der Inflation liegt. Dies wird als positive Realrendite bezeichnet. Die reale Rendite wird berechnet, indem die erwartete Inflationsrate von der nominalen Rendite eines Anleihenportfolios abgezogen wird. Dabei müssen der Anlagehorizont und die Risikotoleranz analysiert werden. Ein sehr konservativer Anleger kann derzeit ein Anleihenportfolio in Schweizer Franken mit einer Rendite von 1,4% bei einer durchschnittlichen Laufzeit von sieben Jahren anlegen. Verglichen mit der Inflation in der Schweiz von 3,3% ist es jedoch offensichtlich, dass diese Anlage nicht sonderlich attraktiv ist.

 

Rendite AAA BBB CHF Bond Index

Abb.: Rendite AAA-BBB CHF Bond Index

Im Moment sind kurzlaufende Anleihen von Schweizer Unternehmen interessant. Aufgrund des jüngsten Zinsanstiegs müssen nun alle Unternehmen höhere Zinsen zahlen. Daher gibt es aktuell spannende Firmen, die im Vergleich zu den letzten Jahren überdurchschnittlich hohe Zinsen zahlen. Anlegerinnen und Anleger, die in Anleihen investieren wollen, können sich ein Portfolio aus Qualitätsunternehmen mit nicht allzu langer Laufzeit zusammenstellen und sich über eine Rendite von rund 2,82% freuen.

Private Kredite als spannende Alternative

Ebenfalls spannend ist das Thema Private Debt. Private Debt umfasst alle Anleihen, die nicht börsennotiert sind. Eine ganze Reihe von Investoren oder Private-Debt-Fonds sind in diesem Bereich aktiv. Die Funktionsweise ist wie bei konventionellen Anleihen: Neben der Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrags in der Zukunft muss das Unternehmen auch Zinsen an den Gläubiger zahlen. Private Debt, das sich vor allem auf die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen konzentriert, ist eine sich entwickelnde Anlageklasse, die Anlegerinnen und Anlegern im Vergleich zu traditionellen Anleihen attraktivere Renditen bietet. So haben auch Pensionskassen diese Anlageklasse für sich entdeckt und investieren einen Teil als «Anleihen-Ersatz» in Private Debt. Schätzungen zufolge wird die Nachfrage nach privaten Krediten weiter zunehmen. Es wird erwartet, dass diese Anlageklasse bis 2025 von CHF 1,05 Milliarden auf CHF 1,5 Milliarden wachsen wird.

 

Wir empfehlen Anlegerinnen und Anlegern, die in diesem Bereich investieren wollen, Folgendes zu beachten: Investieren Sie nur über einen Private-Debt-Fonds, da dann die professionelle Diversifikation der Anlagen gewährleistet ist. Ausserdem sind die Grösse, die Kosten, die Risikoüberwachung der Positionen und die Strategie des Fonds entscheidend.

Kursschwankungen sind unumgänglich

Wenn ein Investor in Obligationen investieren will, muss er einiges beachten. Anleihen haben zwar ein deutlich geringeres Risiko als Aktien, doch auch in dieser Anlageklasse müssen die Anleger die potenziellen Risiken kennen, die mit einer Investition in einen Schuldtitel verbunden sind. Zinssätze und Anleihekurse stehen in einem umgekehrten Verhältnis. Wenn die Zinssätze steigen, fallen die Anleihekurse und umgekehrt. Als Anleger in Anleihen können Investoren sich vor diesen Kursschwankungen nicht schützen. Diese Volatilität ist unvermeidlich.

 

Aus diesem Grund sollten Anlegerinnen und Anleger darauf vorbereitet sein, ihre Positionen bis zum tatsächlichen Rückzahlungstermin zu halten. Denn muss ein Anleger die Anleihe vor dem Fälligkeitstermin verkaufen, kann dies mit einem Verlust einhergehen, wenn sich die Zinsen gegen ihn entwickelt haben. Wenn die Bank CIC in Anleihen investiert, prüft sie die Finanzdaten des Unternehmens und sucht nach Gründen, warum ein Schuldner nicht in der Lage sein könnte, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Zu diesem Zweck analysieren die Anlageexpertinnen und -experten die Erfolgsrechnung und die Bilanz der Unternehmen. Auch die Klassifizierung einer Anleihe muss im Detail analysiert werden. Nicht alle Anleihen sind gleich. Es gibt vorrangige Anleihen, die im Falle eines Konkurses den ersten Anspruch auf die Vermögenswerte des Unternehmens haben. Daneben gibt es nachrangige Anleihen, die zwar höhere Coupon zahlen, aber bei einem Konkurs einen deutlich geringeren Anspruch auf Rückzahlung haben als vorrangige Anleihen.

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass Anleihen im Allgemeinen weniger riskant und konservativer sind als Aktien. Allerdings ist auch bei Investitionen in Anleihen ein gewisses Mass an Recherche und Analyse erforderlich. Es ist zu beobachten, dass Pensionskassen und auch Privatanleger langsam zurückkehren, nachdem die Anlageklasse lange Zeit in den Portfolios taktisch untergewichtet war – eine Trendwende, die bereits seit Mitte des Jahres zu beobachten ist. So gab es im Juni laut dem US Finanzinstitut Bank of America Nettozuflüsse von USD 7,8 Milliarden in Obligationenfonds. Dies ist der grösste wöchentliche Zufluss seit Langem. Und vielleicht kehren die Privatinvestorinnen und -investoren in der Schweiz langsam zurück.