Die Mutter aller Blasen

Die Zeit der Bequemlichkeit und Willensschwäche findet ein Ende. Zweifellos, die internationalen Finanzmärkte bleiben aufgrund der schwierigen globalen Wirtschaftslage und der leeren Staatskassen vieler industrialisierter Länder angespannt.

Fehlende Innovation, gepaart mit einer im globalen Kontext unterdurchschnittlichen Produktivitätssteigerung und nicht auf zukünftiges Wachstum ausgerichteten Ausgaben, mündete so in einem strukturell schwachen Wirtschaftswachstum. Solange die EZB weiterhin mit immer neuen Massnahmen im Sinne der Stabilisierung der Finanzmärkte interveniert, könnten überfällige Reformbestrebungen weiter hinausgezögert werden. Frei nach dem Motto: Die Nadel geht zurück an den Anfang und das Lied beginnt von Neuem. Unterdessen ist die Nadel jedoch abgenutzt und das Rauschen nicht mehr zu überhören. In Italien, in Spanien und sogar in Frankreich versuchen die Regierungen, Reformen am Arbeitsmarkt und im Sozialwesen durch die Legislativen zu bringen. Reformen wohlgemerkt, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren.

 

Die Bürger protestieren zwar nach wie vor, jedoch weniger laut als auch schon. Man ist versucht, anzunehmen, dass sie selbst daran zweifeln, dass ihr Klagen erhört wird. Die Einsicht, dass die angeschlagenen Volkswirtschaften auf lange Sicht nur mit schmerzhaften Einschnitten gesunden können, setzt sich langsam, aber sicher in der breiteren Bevölkerung durch. Die Regierungen in Italien und Frankreich haben auch aufgrund dessen, und nach einer mehr oder weniger höflichen Intervention der Europäischen Kommission ihre letzten Budgetpläne nochmals überarbeitet und die ursprünglich vorgesehenen Defizite markant gesenkt.

 

Nachdem die US-Wirtschaft aus der Rehabilitationsklinik entlassen werden kann, wird beim europäischen Pendant erst die Wachphase auf der Intensivstation eingeleitet. Entsprechend unterschiedlich setzen die von der Assistenz- zur Oberärztin aufgestiegene Janet Yellen und Professore Mario Draghi die Dosierungen der verabreichten Medikamente an.

Liquiditätsspritzen und gutes Zureden als Valium für die Märkte

Während Doktor Yellen zu homöopathischen Mitteln greifen kann, muss Super-Mario weiterhin die volle Ladung und womöglich noch mehr reinpumpen, um einer ökonomischen Thrombose entgegenzuwirken. Beiden gemein hingegen ist, dass sie wie Therapeuten gebetsmühlenartig auf das Gewissen der verschiedenen Protagonisten an den Finanzmärkten einreden. Sie konnten so die Märkte überzeugen, dass die Zinsen, kurze wie längere, in absehbarer Zeit noch tief bleiben sollten.

 

Die US-Notenbank wird im Jahr 2015, wenn nicht wider Erwarten eine neue grössere Krise ausbricht, ihre kurzfristigen Zinsen anheben. Mit etwas grösserer Verspätung als üblich wird die Europäische Zentralbank auch hier folgen. Ob dies tatsächlich, wie von einigen Ökonomen erwartet, erst in einigen Jahren sein wird, darf aufgrund der Schnelllebigkeit des makroökonomischen Umfelds bezweifelt werden. Ohne Zweifel hingegen werden die Zinsen nicht ewig auf diesen künstlich tiefen Niveaus gehalten werden können. Die Notenbanker werden denn auch nichts unversucht lassen, dieser «Mutter aller Blasen» nur schrittweise die Luft rauszulassen.

 

Das Ende einer Übertreibungsphase wird üblicherweise durch ein «Überschiessen» eingeläutet. Die unsinnig tiefen Zinssätze in Europa sind ein Zeichen dafür, wie sehr die Zinsmärkte im Ungleichgewicht sind. Eine Angleichung wird stattfinden, was nicht ohne Nebengeräusche geschehen wird. Diese Zinswende wird weder von kontinuierlich steigenden Zinsen begleitet werden noch werden die Veränderungen gradueller Natur sein. Dies, weil es den Zentralbanken nicht zu jeder Zeit gelingen wird, sprunghafte Anstiege an den Zinsmärkten zu verhindern. Professionelle Anleger müssen deshalb die Allokation ihrer Obligationenportfolios über die nächsten Jahre aktiv bewirtschaften, damit der Ertrag auf dieser Anlageklasse nicht in einer «Draghiödie» endet.

 

Die Kolumne widerspiegelt die persönliche Meinung des Autors.

CIC perspectives 1/15

  • Volkswirtschaftliche Perspektiven: Divergenzen bei Konjunktur und Geldpolitik
  • Kolumne: Die Mutter aller Blasen
  • Säule 3a: Konto oder Wertschriften?