Entschuldigung, aber ich bin blond...!

Entschuldigung, das stimmt so nicht, ich bin nicht blond. Das wollte ich mit diesem Titel auch gar nicht zum Ausdruck bringen, sondern etwas ganz anderes:

Mir ist aufgefallen, dass sich in letzter Zeit auf den Strassen immer mehr Menschen wie laufende Litfasssäulen bewegen, angezogen mit bunt beschrifteten T-Shirts, Hemden oder Pullovers aller Art. Nichts Neues, aber die Häufung solcher Messages fällt auf. Da lese ich «Je suis Charlie», in grossen Lettern auf die T-Shirt-Brust geschrieben, ich antworte: «Enchanté,je suis Markus!» Falsch, die Aktion «Je suis Charlie» war ja eine Solidaritätserklärung für die Opfer vom Attentat auf das französische Magazin «Charlie Hebdo». Kürzlich in Paris gelesen: «Sorry, I am French!» Wohl eine Anspielung an englisch sprechende Touristen, die sich im Ausland wie zu Hause wähnen und unbeeindruckt und einsprachig durch die Welt jetten! Da lese ich etwas beschämt auf der Brust des T-Shirts einer jungen Frau, auffällig und absichtlich in kleinenLettern geschrieben: «not decent, shame on you», was heissen will: Du unanständiger Typ, schäme dich, so gierig zu schauen! In der Folge habe ich mich davon abgewandt, Ausschau nach originellen T-Shirt-Sprüchen zuhalten, und wenn, dann nur bei Männern.

 

Was mir noch aufgefallen ist, sind all die freiwilligen Reklameträger, die sich darauf konzentrieren, der Menschheit mitzuteilen, dass sie Kunden sind von Adidas, Nike, Hilfiger, Louis Vuitton, Abercrombie und Fitch, Camp David oder wie die Nobelmarken alle heissen. Eine wichtige Mitteilung, denn diese Leute haben sehr viel Geld für das Kleidungsstück ausgegeben. Das Design macht’s aus, mehr noch der Name des Designers, die Marke, der Brand! Sonst nichts! Da steht oft nur der Name des Herstellers auf dem Kleidungsstück und fertig, schwarz auf weiss oder grün auf rot, wie auch immer!

 

Da stimmt doch etwas nicht! Warum sind diese Menschen bereit, Reklame für andere zu tragen und dann noch teuer zu bezahlen? Eigentlich müsste dieser Prozess in die umgekehrte Richtung gehen. Der Träger der Reklame sollte Geld für seine Dienste bekommen, er trägt ja den Namen der Marke in der ganzen Welt herum. Da hat jemand etwas sehr richtig gemacht. Diese Frage stellt sich beim Kauf offensichtlich nicht.

 

Eine beliebte Art, die Werbetrommel für andere zu rühren, zeigen die Sportfans. Der Fussball steht bei ihnen ganz oben. Ein Träger eines FCB-Leibchens (Basel oder Barcelona) outet sich als Fan, als Dazugehörige(r) und ist eigentlich ein freiwilliger Sponsor.

 

Abschliessend noch eine letzte Auffälligkeit, die ich auf meiner T-Shirt-Besichtigungsrunde gefunden oder eben nicht gefunden habe. Erinnern Sie sich noch an die legendären SKA-Mützen aus den1970er Jahren, an die drei Streifen in Weiss, Rot und Blau? Wer eine hat, wird das antike Stück kaum aus der Hand geben. Sie hat Kultstatus. Banken fehlen heute gänzlich im Kunterbunt der Gratisreklameträger. Für Banken ist es nicht so leicht, kostenlose Werbeträger zu finden. Wer läuft schon mit einemT-Shirt herum, auf dem ersichtlich ist, bei welcher Bank man Kunde ist? Banken machen es eigentlich richtig. Sie bezahlen für Werbung und können sich den Werbeträger so auch selbst aussuchen. Die Attribute, die für die Bank wichtig sind und durch den Werbeträger auch vermittelt werden sollen, heissen: erfolgreich, zuverlässig, demütig, diskret, beliebt und top, Nummer 1! Die Banken versuchen werteorientiert, mittels allgemein hoch angesehener Stars, Anerkennung und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und nicht über bunte T-Shirts. Ich kenne einen Schweizer, der all diesen Ansprüchen spielend gerecht wird: RF, und der macht in erster Linie Werbung für sich und dazu noch gratis für die Schweiz!

 

Die Kolumne widerspiegelt die persönliche Meinung des Autors.