Ich kann tanzen, aber nur auf dem Börsenparkett

Mit dem Tanzen und der Musik ist es so eine Sache… Mir werden eine gewisse Hüftsteifheit und ein bescheidener Musikgeschmack nachgesagt. Damit kann ich leben, denn ich bin eher der Radio-Typ: einschalten und zuhören. Es gefällt mir nicht alles, was die Sender so spielen, aber ich kann warten. Warten, bis der nächste Song kommt.

Auch an den Finanzmärkten werden verschiedene Songs gespielt. Kritische Beobachter würden es vielleicht eher als Lärm bezeichnen. Heute noch heisst es «The show must go on» und kurz darauf schon «This is it». In Wahrheit ist es wie im Radio: Nach einem lauen Song ist es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Hit kommt. Geduld ist gefragt, wobei ich zugeben muss, dass die Zyklen an den Märkten eine viel längere Aktionsdauer haben als ein DJ im Radio.

 

Ein Blick auf die letzten zwölf Jahre zeigt, dass die Anlegerinnen und Anleger verwöhnt wurden. Eine Investition in den Schweizer Aktienindex SMI hat eine durchschnittliche jährliche Performance von 7,6% erbracht. Die gleiche Anlage in den amerikanischen S&P 500-Index sogar 12,5%. Haupttreiber dieser Entwicklung waren die Zentralbanken, die seit 2009 mehrere tausend Milliarden an Liquidität in die Märkte gepumpt haben, um die Wirtschaft zu stützen und die Musik am Laufen zu halten.  

 

Doch die Show der Zentralbanken ist schon seit einigen Monaten vorbei. Liquidität wird dem Markt entzogen und die Leitzinsen werden allmählich angehoben. Das bedeutet, dass die Musik in der Wirtschaft langsam leiser wird. Diesen Umstand haben wir im Jahr 2022 in allen Anlageklassen gespürt. 

 

Wenn Sie sich die Performancezahlen seit Jahresbeginn ansehen, werden Sie feststellen, dass nur Rohstoffe eine positive Rendite erzielt haben. Überraschenderweise haben sowohl Anleihen als auch Aktien eine negative Wertentwicklung gezeigt. Diese Besonderheit ist in den letzten 100 Jahren nur dreimal aufgetreten, und zwar 1931, 1969 und eben im Jahr 2022. Normalerweise besteht eine negative Korrelation zwischen den beiden Anlageklassen Anleihen und Aktien, was die Portfolios diversifiziert und entsprechend schützt. So haben 2022 Portfolios, welche ausschliesslich aus Aktien und Anleihen bestehen, eines der schlechtesten Kalenderjahre seit einem Jahrhundert hinter sich.

 

Eine sich abschwächende Wirtschaftsleistung muss jedoch nicht zwangsläufig kurzfristig etwas Schlechtes für die Aktienmärkte bedeuten. Ich erwarte zwar, dass die Märkte volatil bleiben, aber die Zentralbanken werden darauf bedacht sein, die Wirtschaftsleistung mit ihrer Geldpolitik nicht komplett abzuwürgen. Und so gehen die Märkte davon aus, dass die Währungshüter bei den ersten Anzeichen einer abkühlenden Inflation die Zinsen nicht weiter anheben und sich wieder auf die Stützung der Konjunktur konzentrieren werden. Ganz nach dem Motto: «Oops, I did it again!»

 

Ich bin davon überzeugt, dass sich Finanzmarktanlagen mittel- bis langfristig auszahlen werden. Nicht nur die Weltbevölkerung, sondern auch die Weltwirtschaft wird in den kommenden Jahrzehnten weiter stark wachsen. Das schafft Chancen und befeuert Megatrends. 

 

Sollte Ihnen der kurzfristige Börsenlärm zu laut werden, lassen Sie sich davon nicht irritieren. Im Zweifel machen Sie es wie ich: Stellen Sie einfach das Radio ab.