Nach NEIN in Italien: Märkte sind zu euphorisch

3 Fragen an Mario Geniale, Chief Investment Officer der Banque CIC (Suisse)

Der dritte politische Schock des Jahres ist Realität: Nach Brexit und den US-Wahlen folgte nun das Nein beim Verfassungsreferendum in Italien. Regierungschef Matteo Renzi ist bereits zurückgetreten. Die Märkte zeigen sich überraschend positiv. Wie erklären Sie sich diese Zuversicht?

Die Reaktion der Märkte erinnert tatsächlich an diejenige nach den US-Wahlen. Zuerst gab es wieder eine negative Reaktion in Asien, der Euro wurde schwächer und auch die Renditen der italienischen Staatsanleihen sind zuerst gestiegen. Aber dann drehten die Märkte sehr schnell wieder ins Positive. Dazu beigetragen hat sicherlich, dass die EZB schon im Vorfeld angekündigt hatte, dass sie bei negativen Marktreaktionen nach einem Nein der Italiener eingreifen werde. Schon allein diese Ankündigung hat stabilisierend gewirkt. Vielleicht musste die EZB dann nicht einmal gross intervenieren. Für Beruhigung hat vielleicht auch die Wahl am Sonntag in Österreich gesorgt. Dass sich die Wähler gegen den zuletzt im Aufwind befindlichen Rechtspopulismus entschieden haben, könnten die Finanzmärkte als Fingerzeig für die anstehenden Wahlen in Frankreich oder Deutschland verstanden haben. Unserer Meinung nach sind die Märkte aber zu euphorisch.

 

Wo sehen Sie denn die künftigen Risiken, die der Markt noch zu ignorieren scheint?

Bereits die anstehende EZB-Sitzung am Donnerstag birgt das Risiko einer Enttäuschung. Wir interpretieren die Marktreaktionen nach der Abstimmung in Italien nämlich so, dass man jetzt fest mit weiteren Stützmassnahmen der EZB rechnet. Das Potenzial dafür wird aber immer dünner, es sei denn die EZB passt ihre Politik an. Mit einer Verlängerung ihres Kaufprogramms um weitere sechs Monate bis September 2017 rechnet der Markt bereits. Um positive Signale zu setzen, bräuchte es also eine noch längere Laufzeit und eine Verlagerung der Wertpapierkäufe auf andere Kategorien. Letztlich liegt in Italien das Problem aber an einer anderen Stelle, denn an den Eigenkapitalproblemen der italienischen Banken bzw. den faulen Krediten ändert sich damit nichts. Direkt kann und soll die EZB hier nicht einwirken. Ausserdem wird sich diese Woche zeigen, ob es in Italien gelingt eine stabile Übergangsregierung zu bilden. Gelingt dies nicht, würde die Unsicherheit weiter steigen. Angesichts dieser Unsicherheiten rechnen wir auch nicht mehr mit einer echten Jahresendrallye an den Aktienmärkten. Sondern ich erachte negative Überraschungen als durchaus wahrscheinlich, welche nach der kurzfristigen Euphorie, die wir jetzt beobachten konnten, für deutliche Korrekturen an den Märkten sorgen könnten.

 

Wie haben Sie Ihre Anlagepolitik auf diese Unsicherheiten ausgerichtet und was empfehlen Sie Ihren Kunden?

Bei den Aktien sind wir bereits seit Oktober untergewichtet. Zusätzlich haben wir unsere Aktienpositionen letzte Woche mit Put-Optionen abgesichert. Diese Absicherung lassen wir jetzt auch weiterbestehen. Denn übermässige Euphorie – und so interpretieren wir die aktuelle Reaktion der Märkte – ist fehl am Platz. Wir raten zur Vorsicht. Aktienpositionen können aktuell günstig abgesichert werden. Innerhalb der Aktienpositionierung empfehlen wir Titel im Gesundheitsbereich. Erstens haben diese bereits im Vorfeld der US-Wahlen stark gelitten und erhalten somit einen gewissen Schutz vor noch grösseren Kursverlusten, andererseits ist das Gewinnsteigerungspotential dieser Unternehmen noch nicht vollständig ausgeschöpft und sie sind relativ gesehen wieder einiges günstiger bewertet als noch vor einigen Monaten. Ausserhalb der Aktienquote erachten wir weiterhin Edelmetalle als interessante strategische Alternative für allfällige Verwerfungen an den Märkten. Die jüngste Korrektur erhöht ebenfalls die Attraktivität für einen Einstieg.