Technolgogieaktien vor neuem Höhenflug?

Facebook, Amazon und Twitter wollen den Anlegern signalisieren, dass sie die Situation unter Kontrolle haben, meint Mario Geniale von der Bank CIC.

Artikel von Salima Barragan, allnews.ch

 

Seit der TINA-Effekt aus der Zeit der Finanzrepression TARA gewichen ist – einem Akronym für «there are reasonable alternatives», sprich: «es gibt vernünftige Alternativen zu Aktien» –, hat der Nasdaq in den vergangenen elf Monaten rund ein Drittel seines Börsenwertes eingebüsst. Mario Geniale, Chief Investment Officer der Bank CIC (Schweiz) AG, geht davon aus, dass sich dieser Trend im zweiten Halbjahr 2023 umkehren wird, wenn die US-Zinsen wieder gesenkt werden. «Die Technologiegiganten haben einen massiven Stellenabbau angekündigt, um den Anlegern zu zeigen, dass sie die Situation unter Kontrolle haben», erklärt der Experte, der in der Branche übergewichtet ist. Interview.

Wie würden Sie die Entwicklung des Technologiesektors im Jahr 2022 zusammenfassen?

Die Entwicklung war überwiegend negativ: So ist der Börsenwert der fünf grossen US-Technologieaktien seit Anfang Jahr um mehr als USD 3200 Mrd. gesunken. Dies entspricht dem Doppelten der gesamten Marktkapitalisierung in der Schweiz.

 

Einige neue Elemente könnten jedoch dazu führen, dass sich dieser Trend umkehrt. Erstens richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Gewinne von heute und nicht auf die von morgen. Microsoft zum Beispiel erzielte im letzten Quartal einen Gewinn von USD 21 Mrd. Zweitens weisen die Unternehmen der Branche ausgezeichnete Bilanzen auf: Die Technologieunternehmen, die nicht verschuldet sind, verfügen über enorme liquide Mittel. Bei Alphabet zum Beispiel sind es fast USD 87 Mrd. Durch die Zinserhöhung verbessert sich diese Liquiditätslage noch. Zu 3 Prozent angelegt sorgt dieser Betrag für zusätzliche Einnahmen in Höhe von USD 2,5 Mrd.

 

Die Bewertungen sind verglichen mit der Euphorie der 2000er Jahre moderat. Derzeit bewegen sich die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) um 20. Das KGV von Apple liegt bei 24, während die Aktie von Microsoft zum 25-Fachen des Gewinns gehandelt wird. Das KGV von Meta ist auf 13 gefallen. Zum Vergleich: Das KGV von Nestlé liegt bei 23, doch das Unternehmen kann im Gegensatz zu Alphabet, dessen Bewertung identisch ist, kein rasches Wachstum über zehn Jahre bieten.

 

Die aktuellen Bewertungen von Technologieunternehmen entsprechen dem Durchschnitt der letzten sieben oder acht Jahre. Damit bieten sich attraktive Einstiegspunkte.

Warum hat der Sektor, der durchzogene Ergebnisse bekanntgegeben hat, allein im dritten Quartal USD 800 Mrd. an Börsenkapitalisierung verloren?

Dieser Rückgang ist vor allem auf die Zinserhöhungen zurückzuführen. Hoch bewertete Aktien werden riskanter, wenn die Zinsen steigen. Glücklicherweise ist das Ende der restriktiven Geldpolitik bereits absehbar und die Zinserhöhungen sind grösstenteils bereits eingepreist. Die Zinsen werden wieder sinken, was Wachstumstiteln zugutekommt. Schliesslich haben die Anleger bei Titeln wie Microsoft und Google, die gute Ergebnisse ausgewiesen haben, Gewinne mitgenommen.

Ist angesichts der massiven Entlassungspläne nicht eher davon auszugehen, dass sich das Wachstum im Technologiesektor verlangsamt?

Der Stellenabbau ist auf die Konjunkturverlangsamung zurückzuführen, die zeitlich mit einer Sättigung des mittlerweile übermässig wettbewerbsintensiven Marktes zusammenfällt. Die Unternehmensleitungen von Amazon, Facebook und Twitter wollen den Anlegern jedoch auch ein Signal senden: «Wir reagieren auf die aktuelle Situation.» Das eigentlich wichtige Thema dabei sind nicht Kostensenkungen, sondern es geht vielmehr um Investitionen. Der Sektor befindet sich nach dem starken Wachstum nun eher in einer Konsolidierungsphase.

Unternehmen mit Geschäftsmodellen, die von Werbeeinnahmen oder der Zahl der Abonnenten abhängig sind, haben enttäuscht, wie zum Beispiel Meta oder Netflix. Sie meiden diese Unternehmen ebenfalls.

Der Markt von Meta ist gesättigt: Er wächst kaum noch. Netflix sieht sich auf seinem Markt mit Neueinsteigern konfrontiert. Die Werbeeinnahmen des Unternehmens sind stark konjunkturabhängig und schrumpfen derzeit. Während der Lockdowns stieg die Zahl der Abonnenten dieser Art von Plattform sprunghaft an, doch inzwischen normalisiert sie sich wieder. Elon Musk musste USD 250 Mio. in Twitter investieren, nur um das Werbegeschäft wiederzubeleben.

Weshalb raten Sie von chinesischen Technologietiteln ab?

Die Aktien sind zwar attraktiv bewertet, wegen der Interventionen der Regierung ist ihre Entwicklung aber unberechenbar. China scheint gegen seinen eigenen Technologiesektor zu arbeiten, um den Einfluss der Unternehmensleitungen von Alibaba und Baidu zu beschränken. Technologieexperten kehren China den Rücken und die nationalen Unternehmen haben ihre Expansion ins Ausland aufgrund des Regierungsdrucks gestoppt. Schliesslich belastet auch die Verstaatlichung des Sektors die Branche, einschliesslich der im Ausland börsenkotierten Unternehmen.

Wie würden Sie die Aussichten für den Sektor im Jahr 2023 beschreiben?

Die Aussichten sind gut. Nach den Marktkorrekturen entsprechen die aktuellen Bewertungen von Technologieunternehmen dem Durchschnitt der letzten sieben oder acht Jahre. Damit bieten sich attraktive Einstiegspunkte. Ich rechne damit, dass die Zinsen im Dezember und dann noch einmal im ersten Quartal 2023 erhöht werden. Ab dem zweiten Halbjahr wird die Fed ihre Zinsen angesichts des Rezessionsrisikos vielleicht wieder senken. Aufgrund der moderaten Bewertungen ist dann mit einer gewissen Outperformance von Technologietiteln gegenüber anderen Sektoren zu rechnen.

Welche Teilsektoren bevorzugen Sie?

Wir bevorzugen Unternehmen, die im Cloud-Geschäft tätig sind und deren Wachstum sich mit Microsoft fortsetzen wird, sowie Halbleiterhersteller wie Nvidia, ASML und Infineon. Durch Anlagen in Large Caps können Anleger am besten von den wichtigsten Trends profitieren.